Wenn wir im Alltag von Kinderrechten hören oder sprechen, sind wir uns eigentlich einig: Die sind wichtig und müssen beachtet werden. Klar. Aber hast du dir schon einmal wirklich Gedanken über dieses Thema gemacht? Dich gefragt, welche einzelnen Kinderrechte es gibt und wie sich diese auf den Alltag deines eigenen Kindes auswirken?
Ich freue mich sehr für diesen Blogbeitrag Natascha Berger und Lücy Fuchs von Wandelwärts gewonnen zu haben. Die beiden befassen sich intensiv mit dem Thema Kinderrechte. Sie haben kurz und knackig die wichtigsten Eckdaten für dich zusammengefasst und erklären, weshalb Kinderrechte im Familienalltag eine wichtige Rolle spielen.
Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen und vielleicht auch den ein oder anderen AHA-Moment.
Kinderrechte im Familienalltag
von Natascha Berger und Lücy Fuchs
Die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung
Spielen hat im Alltag von Kindern einen hohen Stellenwert. Beim Spielen tauchen Kinder in andere Welten ein und imitieren das Verhalten der Eltern, anderer Erwachsener oder von Buchfiguren. Sie üben sich in Geduld, wenn ein Turm in sich zusammenfällt, und verarbeiten Erlebnisse. Spielen regt bei Kindern viele Lernprozesse an, ist in hohem Maße entwicklungsfördernd und damit eine wesentliche Säule für das Wohlbefinden und die gesunde Entwicklung von Kindern. Dies bekräftigt auch das eigene Recht der Kinder auf Spiel, wie es in der UN-Kinderrechtskonvention in Artikel 31 festgeschrieben ist. Die seit 1989 in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Kinderrechte definieren, was Kinder für ein gutes Leben und ein sicheres Aufwachsen brauchen.
Kinderrechte: das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen
Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention 1992 unter Vorbehalt ratifiziert, seit 2010 gelten die Rechte der Konvention uneingeschränkt für alle Kinder, die in Deutschland leben.
Die Umsetzung der Kinderrechte zielt darauf ab, dass Kinder ein gutes, sicheres Leben führen können und durch Beteiligung und Mitbestimmung stark werden und für sich einstehen können.
Die Umsetzung findet (noch zu wenig) auf verschiedenen Ebenen statt: in der Politik, in Organisationen, Einrichtungen und im direkten (außer)familiären Umfeld von Kindern. Damit Kinder zu ihren Rechten kommen, brauchen sie vor allem Erwachsene, ihre Eltern, Politiker:innen und die pädagogischen Fachkräfte in Kita und Schule, die sie über ihre Rechte informieren und ihnen diese zugänglich machen. Beispielsweise ist es spannend, Kinder zu fragen, ob sie die Kinderrechte kennen oder sich vorstellen können, was diese bedeuten könnten. Die Familie ist der zentrale Lebensraum des Kindes. Deshalb ist es besonders wichtig, dass alle Familienmitglieder die Kinderrechte anerkennen und sich damit beschäftigen. Das bedeutet vor allem, dass jedes Kind in der Familie Schutz und Geborgenheit findet, liebevoll umsorgt wird und die Möglichkeit hat, an familiären Entscheidungen teilzuhaben. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass das Kind Einfluss darauf hat, welche Mahlzeiten es gibt oder welche Aktivitäten unternommen werden.
Was brauchen Kinder für ein gutes Leben?
Eine Antwort auf diese Frage finden wir in den 42 Artikeln (plus 12 Artikel mit Verfahrensregeln) der UN-Kinderrechtskonvention. Diese unterteilen sich in Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte. Die Artikel können wie folgt zusammengefasst werden:
Kinder haben das Recht auf ein gutes Leben, z. B. Zugang zu gesundem Essen und Trinken, angemessene Kleidung, genügend Zeit für Spiel, Freizeit und Erholung, das Recht auf ausreichend Schlaf in einer sicheren Umgebung, Rückzugsorte und Bewegungsfreiheit. Das Recht auf Geborgenheit und verlässliche Strukturen. Das Recht, die eigene Meinung zu sagen, die Wahl zu haben und im Alltag mitentscheiden und mitgestalten zu können. Dazu gehört auch der Zugang zu kindgerechten Informationen, das Recht Fragen stellen zu können und Antworten zu bekommen, Dinge zu lernen und kreativ sein zu dürfen. (vgl. Kaletsch&Gebhard, S. 18)
Die vollständige UN-Kinderrechtskonvention zum Nachlesen gibt es für Erwachsene und Kinder bei Unicef. Eine gute Übersicht bietet folgende Abbildung der National Coalition Deutschland, dem Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention:
(Weitere Materialien zum Thema Kinderrechte für Eltern und Kinder gibt es am Ende des Artikels)
Spielen und Lernen: Das Recht der Kinder auf Spiel und Freizeit
Wie anfangs bereits erwähnt, lernen Kinder im Spiel unglaublich viel für ihr ganzes Leben, daher ist das Recht der Kinder auf Spiel, Freizeit und Erholung (Artikel 31) ein wichtiges Kinderrecht. Im Spiel erkunden Kinder die Welt aus ihrer Perspektive, lernen mit Gefühlen und Impulsen umzugehen, Konflikte auszuhandeln und Lösungskompetenzen zu entwickeln. Darüber hinaus erfahren Kinder Selbstwirksamkeit und verarbeiten Erlebtes. Ein ergänzendes Dokument zu diesem Artikel beschreibt konkret, was Kinder in Bezug auf Spiel und Freizeit brauchen:
Raum und Zeit zum Spielen, frei von der Kontrolle und Verwaltung durch Erwachsene;
Raum und Möglichkeiten zum Spielen im Freien ohne Begleitung in einer vielfältigen und herausfordernden physischen Umgebung mit Zugang zu unterstützenden Erwachsenen, wenn nötig.
Möglichkeiten, die natürliche Umgebung und die Tierwelt zu erleben, mit ihr zu interagieren und in ihr zu spielen;
Verfügbarkeit von Freizeit, die frei von anderen Anforderungen ist;
Gelegenheiten, um mit anderen Kindern an Spielen, Sport und anderen Freizeitaktivitäten teilzunehmen.
Ein Umfeld, in dem Kinder sich frei und sicher bewegen können, frei von sozialer Ausgrenzung, Vorurteilen oder Diskriminierung.
Herausforderungen und Lösungen
Es ist Aufgabe der Erwachsenen, das Recht der Kinder auf Spiel und Freizeit zu schützen und dafür Räume zu schaffen.
Im Alltag ist es oft schwierig, genügend Zeit für (Frei-)Spiel, Kreativität und Entspannung zu finden. Neben dem Raum, den Kinder brauchen, um ohne Erwachsene zu spielen, können wir auch auf gemeinsame Spielsituationen achten. Denn auch kleine Alltagssituationen können spielerisch gestaltet werden. Ob ein kleines Wettrennen zum Auto oder die Fahrt zur Kita als Rollenspiel - der Fantasie und Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Kinder spielen auch gerne Restaurant oder massieren sich gegenseitig mit Igelbällen.
So kann für das gemeinsame Abendessen eine kleine Menükarte geschrieben werden und die Gäste werden bedient 😊. Nach dem gemeinsamen Aufräumen gibt es dann eine Entspannungsbelohnung für alle mit Igelbällen. Für Erwachsene ist der Zugang zum Spiel gar nicht so einfach, denn der Alltag ist voll von Aufgaben und Verpflichtungen. Doch schon wenige Fragen können ganz neue Räume öffnen: Was habe ich als Kind am liebsten gespielt? Was spiele ich heute gerne? Wann habe ich zuletzt gespielt? Wann kann ich mir Zeit nehmen, um mit Kindern zu spielen oder sie zum Spielen anzuregen? Besonders viel Spaß macht es, die eigenen kindlichen Anteile (wieder) zu entdecken, sich zu verkleiden, Buden zu bauen und einmal alles um sich herum zu vergessen. Das macht Spaß 😊! Kinder finden im Spiel eine besondere Verbindung zu Erwachsenen, fühlen sich gesehen, gehört und bestärkt.
Am 20. September ist Weltkindertag, ausgerufen von den Vereinten Nationen, um an die Umsetzung der Kinderrechte zu erinnern. Aus diesem Anlass liesen wir auf unserem Instagram-Kanal 2023 einige Kinderstimmen zu Wort kommen. Mit einem Zitat aus den Kinderinterviews zur Frage: „Was brauchen Kinder für eine gute Zukunft?“ möchten wir schließen: „Kinder brauchen eigentlich nur Liebe und genug Zeit, um auch schöne Sachen zu machen, z.B. sich verkleiden und frei spielen!“
Danke an Natascha und Lücy für diesen spannenden Text!
Mehr Infos über die Arbeit der beiden findest du hier: https://wandelwaerts.org/
Weitere Informationen für Eltern und Kinder:
Quellen:
Deutsches Komitee für UNICEF e.V: Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen (https://www.unicef.de/_cae/resource/blob/194402/3828b8c72fa8129171290d21f3de9c37/d0006-kinderkonvention-neu-data.pdf, Zugriff 12.09.2023)
Deutsches Institut für Menschenrechte (https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut/abteilungen/monitoring-stelle-un-kinderrechtskonvention/staatenberichtsverfahren, Zugriff 12.09.2023)
Deutsches Kinderhilfswerk e.V. u. Bündnis Recht auf Spiel (2013): GENERAL COMMENT zum Art. 31 der UN-Kinderrechtskonvention (https://www.recht-auf-spiel.de/images/content/docs/generalcomment/General_Comment_Nr._17_Bezugnahme_auf_Konfliktpunktepapier_Buendnis_RaS.pdf, Zugriff 13.09.2023)
Kaletsch, Christa u. Gebhard, Jasmin (2021): Kinderrechte in der Kita. Reihe Kinderrechte und Bildung. Wochenschau Verlag, Frankfurt/M.
Maywald, Jörg (2021): Kinderrechte in der Kita. Kinder schützen, fördern, beteiligen. Verlag Herder, Freiburg
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V. (https://netzwerk-kinderrechte.de/home/kinderrechte/un-kinderrechtskonvention/, Zugriff 13.09.2023)
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